Quartiersmanagement im Lichtenrader Nahariya-Kiez

„Wir freuen uns über alle und jeden“ – Interview mit Peter Pulm vom Quartiersmanagement im Quartier Nahariyastraße

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Seit Anfang des Jahres arbeitet im Quartier Nahariyastraße ein Quartiersmanagement-Team im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und in enger Kooperation mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg. Finanziert wird das Quartiersmanagement aus dem Förderprogramm „Sozialer Zusammenhalt“. Die neu bezogenen Räumlichkeiten liegen in der Groß-Ziethener Straße 64. Peter Pulm und Kadriye Karci waren zuvor im Schöneberger Norden im Quartiersmanagement tätig. Frau Karci bringt zudem die türkische Muttersprache mit. Layla Al-Ghul hat Erfahrung mit geflüchteten Frauen aus dem arabischen Raum und ist Arabisch-Muttersprachlerin. Der Einstieg in die Arbeit vor Ort für das Team wurde durch die Covid 19-Pandemie erschwert, aber scheint dennoch gelungen. Am 08. Juni 2021 sprachen wir mit Peter Pulm, einem Mitglied des dreiköpfigen QM-Teams.

QM-Team Nahariya © Gerald Backhaus

Was für Menschen leben im Quartier, welche Sprachen werden gesprochen, welche Konfessionen gibt es?

Im Quartier Nahariyastraße leben etwas mehr als 7.000 Menschen. Der Anteil an jungen Menschen ist relativ hoch. Es leben aber auch viele ältere Menschen hier. Wir haben einen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund von rund 44 %. Wir haben ein starkes Interesse, zu wissen, wie sie sich zusammensetzen: Welchen Sprachhintergrund haben sie, und wo kommen sie her? Der größte Anteil – rund 10% – entfällt dabei auf Menschen mit arabischem Sprachhintergrund. Sie sind vor allem in den letzten fünf Jahren zugewandert. Es gibt aber auch türkische Familien und Menschen aus Osteuropa bzw. der ehemaligen Sowjetunion, die Russisch sprechen. Das hängt sicher mit dem Aufnahmelager Marienfelde zusammen. Zu den Konfessionen haben wir leider noch keine Zahlen. Es ist zu erwarten, dass neben Christen auch Muslime und möglicherweise unter den osteuropäischen Zuwanderern Menschen jüdischen Glaubens anzutreffen sind.

Was sehen Sie als die wichtigsten Aufgaben und die größten Herausforderungen für das Quartiersmanagement?

Wir möchten die Lebensqualität, die Lebenschance und die Nutzungsvielfalt im Stadtteil verbessern. Es kann davon ausgegangen werden, dass wir mindestens sieben Jahre lang hier tätig sind. Wir haben die Möglichkeit, in drei Handlungsfelder zu wirken, in den Bereichen Bildung, Nachbarschaft und Integration sowie Gesundheit und Bewegung. Dabei können wir mit Fördermitteln, Wissen und Erfahrung unterstützen. Wir werden beteiligen, vernetzen und enge Kooperationen suchen. Im Bildungsbereich erscheint die Sprachförderung aktuell besonders dringlich und wir möchten Projekte zur Förderung des Deutsch-Spracherwerbs für Kinder und Jugendliche entwickeln. In die soziale Infrastruktur, die im Quartier nicht ausreichend ausgestattet ist, soll mehr investiert werden, etwa bei den Freizeitangeboten für Jugendliche. Außerdem wollen wir die soziale Infrastruktur baulich aufwerten. Zu Nachbarschaft und Integration: Hierbei geht es auch um das Zusammenleben der Menschen im Quartier. Der Marktplatz an der Verlängerung der Carl-Steffeck-Straße ist aktuell ein wichtiger Ansatzpunkt für uns. Dort möchten wir mit einem ersten Projekt ansetzen und Brücken zwischen den Menschen bauen. Bei dem Thema Gesundheit und Bewegung befinden wir uns noch in der Bestandaufnahme: Wie können wir die Flächen nutzen? Bolzplätze und Spielplätze werden eine Rolle spielen. Wir schauen auch auf den Volkspark und die Wohnhöfe. Bei alldem wird Klimaschutz mitgedacht. Wir können uns zum Beispiel vorstellen, Nachbarschaftsgärten zu aktivieren. Entscheidend ist aber, wofür sich die Menschen vor Ort entscheiden. Im Moment stehen wir ja noch am Anfang einer mehrjährigen, sich entwickelnden Arbeit.

Mit welchen Partnern gehen Sie diese Aufgaben gemeinsam an?

Bei allen Vorhaben werden wir mit Partnern kooperieren. Um nur einige zu nennen: Ein wichtiger Partner ist für uns die evangelische Kirchengemeinde Lichtenrade mit ihrem Gemeindehaus. Partner sind zudem das NUSZ [Nachbarschafts- und Selbsthilfezentrum ufaFabrik e.V. – Anm. d. Red.] sowie alle Bildungseinrichtungen, darunter die Nahariya-Grundschule als zentraler Netzwerkknoten und einige große und kleine Kitas. Daneben suchen wir den Kontakt mit den Jugendfreizeiteinrichtungen. Auch mit den Wohnungsunternehmen, die hier vertreten sind (degewo, Adler Group, Ideal Wohnungsbaugenossenschaft u.a.) werden wir selbstverständlich kooperieren. Die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und seinen Fachabteilungen spielt für uns natürlich auch eine wichtige Rolle.

Das Quartiersmanagement lebt ja auch von der Aktivierung der Nachbarschaft und der Bürgerbeteiligung. Welche Möglichkeiten der Beteiligung gibt es?

Wir freuen uns über alle und jeden. Wir müssen die Leute mitnehmen – das ist unser Job. Für uns stehen die Menschen im Quartier im Fokus; für sie wollen wir etwas machen. Wir wollen dazu beitragen, ihre Wohn- und Lebenssituation zu verbessern. Dazu müssen wir die Menschen erreichen. Bisher konnten wir noch keine öffentlichen Veranstaltungen durchführen, aber wir hoffen nun auf die zweite Jahreshälfte.

Wir bieten vielgestaltige Beteiligungsmöglichkeiten. Zum einen unsere Gremien: Die Vergabejury und der Quartiersrat. Die Vergabejury hatte bereits ihre konstituierende Sitzung, es sind aber noch Plätze frei. Da sitzen ausschließlich Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Quartier. Sie entscheiden über den Aktionsfonds. Das sind 10.000 € pro Jahr, mit denen können kleine nachbarschaftliche Projekte gefördert werden. Die zweite Jury ist der Quartiersrat: Da sitzen neben Bewohnern auch Akteure, also Vertreter und Vertreterinnen von Trägern und Einrichtungen im Quartier zusammen. Dabei geht es um mehr Geld und größere, mehrjährige Projekte. Da werden mehr strategische Fragen diskutiert. Wir entwickeln mit dem Quartiersrat auch viele Ideen, die wir dann in konkrete Projekte gießen und ausschreiben. Die Arbeit im Quartiersrat hat für die Mitglieder eine höhere Verbindlichkeit, bedeutet aber auch einen höheren Zeitaufwand und mehr Verantwortung. Man hat aber auch eine spürbare Kompetenz. Hierfür suchen wir gute Leute, die Lust haben, mitzumachen, sich mit Inhalten auseinander zu setzen. Sie sollten der deutschen Sprache mächtig sein. Die Mitglieder werden gewählt, wir hoffen auf viele interessierte Kandidaturen. Der Quartiersrat wird Ende 2021 gebildet und wir fangen jetzt an, die Werbetrommel zu rühren.

Dann werden wir die Menschen über Projekte beteiligen. Da geht es auch um Empowerment: Die Eltern dazu bewegen, sich stärker an Schulen und in Kitas einzubringen. Oder das Engagement der Eltern für die Ausbildung ihrer Kinder verbessern. Dass die Menschen ermuntert und in die Lage versetzt werden, sich einzubringen. Ein Nachbarschaftsgarten ginge auch in die Richtung, das hat ja mit Selbstorganisation zu tun. Bei Baumaßnahmen werden wir die Menschen ebenfalls beteiligen, gerade, wenn sie aus dem Baufonds gefördert werden.

Mit dem Nahariyaforum werden wir gemeinsam mit dem Bezirksamt eine öffentliche Veranstaltung installieren, die zweimal im Jahr stattfindet. Hier sind alle willkommen. Man trifft sich, kann sich kennenlernen und informieren, kommt ins Gespräch, kann miteinander diskutieren und auch mal loswerden, wo der Schuh drückt.

Was gefällt Ihnen im Quartier Nahariyastraße am besten?

Vieles gefällt mir gut. Wir hatten als Team von Beginn an das Gefühl, willkommen zu sein und gut empfangen zu werden. Sowohl emotional von den Menschen als auch fachlich. Hier ist schon so viel da, viele Anwohner und Profis, die vorgearbeitet haben. Der Bezirk, die evangelische Kirche, die Schule, der Volkspark und die AG Markplatz. Es gibt den Bildungsverbund. Diese Strukturen möchten wir mitnehmen. Dieses Aufeinander-Zugehen ist sehr positiv.

Ich erinnere mich an den ersten Tag, an dem ich aus Schöneberg hierher kam. Das war ein grauer, kalter, windiger Tag. Im Frühjahr aber ist alles ergrünt, und jetzt erscheint das Viertel wie eine grüne Lunge. Es gibt viele schöne Ecken hier. Das Quartier insgesamt hat viel Potential. Ich bin noch nicht so lange hier, aber mir gefällt‘s.

Das Interview führten Julia Obertreis und Simon Selle.

 

Das Quartiersmanagement hat Ihr Interesse geweckt?

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