Beschluss | Unterbringung, Gesundheit, Schule, Arbeit: Für eine gute Integration und Teilhabe von Geflüchteten in Tempelhof-Schöneberg!

Beschlüsse

Beschlossen auf der Mitgliedervollversammlung am 02.07.2024

Rathaus Schöneberg

Tagesordnungspunkt 6 | Inhaltliche Anträge

Originalantrag zum Download

Antragstext

Tempelhof-Schöneberg kann in Zeiten von globalen Krisen Frieden, Freiheit und Sicherheit bieten – nicht nur den EU-Bürger*innen, sondern auch Menschen, die aus ihren Heimatländern fliehen müssen. Deutschland ist aus gutem Grund grundgesetzlich, völkerrechtlich und historisch einer Politik der Humanität verpflichtet. Deutschland als eines der größten Aufnahmeländer Europas gibt seine Verantwortung, Empathie und Menschlichkeit nicht auf. Das gilt auch für uns in Tempelhof-Schöneberg.

Hinter jeder Zahl und jeder Statistik sehen wir einen Menschen, eine Familie, ein Schicksal. Viele Menschen sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und fliehen beispielsweise vor Krieg und Vertreibung. Wir wollen unserer humanitären Verantwortung gerecht werden, indem wir Schutzbedürftigen helfen. Für das Zusammenleben sind die Werte des Grundgesetzes die Grundlage. Eine Leitkultur-Debatte lehnen wir dagegen ab, da sie in der Regel nur von populistischen Kräften genutzt wird, die unsere Gesellschaft weiter spalten wollen. Wir wollen die Bedingungen verbessern, damit Integration im Sinne aller noch besser funktionieren kann. Wir wollen möglich machen, dass alle rasch Deutsch lernen, Kita- und Schulplätze sowie Plätze in Vereinen aller Art finden und schnell in Arbeit kommen können – sprich, dass Geflüchtete auf allen Ebenen Teilhabe erfahren und in der Gesellschaft ankommen können. Dazu ist es nötig, dass Kommunen und Länder bei den Herausforderungen nicht allein gelassen, sondern strukturell und finanziell so aufgestellt werden, dass sie Integration aktiv steuern und gestalten können. Klare Strukturen in Bund und Land helfen den Kommunen ebenfalls vor Ort, die Herausforderungen anzugehen. Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist schon vielgeschehen. Für eine gute Integration braucht es dennoch weitere Schritte, für die wir uns als Bündnisgrüne einsetzen.

Bürgermeister*innen, Bezirksämter, Senatsverwaltungen, Unternehmen und unzählige Freiwillige und zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten seit Jahren daran, Unterkünfte zu finden und den Geflüchteten eine psychosoziale Beratung und angemessene medizinische Versorgung anzubieten, mit Rechtsberatung faire Verfahren zu garantieren und unter anderem mit Sprachkursen und Arbeitsplätzen eine schnelle Integration und bessere Teilhabe zu ermöglichen. Für diese große Leistung gilt ihnen unser Dank! Aber Dank ist nicht genug. Es braucht auch eine tatkräftige Unterstützung der Bezirke, Ehrenamtlichen und Unternehmen.

Unterkunft

Tempelhof-Schöneberg hat derzeit rund 4.750 Menschen aufgenommen, von denen der Großteil eine dauerhafte Bleibeperspektive hat. Im Bezirk gibt es verschiedene Unterkünfte (Aufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkunft, Übergangswohnheim), in denen geflüchtete Menschen untergebracht werden. Wir werden uns im Bezirk weiter dafür einsetzen, dass zusätzliche Unterkünfte gesucht und erschlossen werden, die klare Mindeststandards erfüllen. Zwischenlösungen können dabei die Gesamtsituation mit verbessern. Beispielhaft hierfür ist der Antrag unserer Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, der eine mögliche Nutzung des Hotels Sylter Hof an der Kurfürstenstraße prüfen soll.

Außerdem fordern wir alle politisch Verantwortlichen auf, sich regelmäßig mit den Fortschritten und möglichen neuen Problemen in den Unterkünften zu beschäftigen. Vorbild für einen solchen Umgang ist unser Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann, der regelmäßig alle Unterkünfte im Bezirk besucht. Nur so ist es möglich, Verbesserungen nachhaltig zugestalten.

Gesundheit

Neben dem Grundrecht auf eine sichere und saubere Unterkunft muss auch die medizinische Erstversorgung gesichert sein. Die seit zwei Jahren andauernde Prüfung eines Medipoints für die Notunterkunft am Flughafen Tempelhof ist in diesem Kontext untragbar. Wir setzen uns dafür ein, dass die Senatsverwaltung für Gesundheit ihr internes Verantwortungs-Pingpong stoppt und die gesundheitliche Grundversorgung für die mehr als 2.200 Bewohner*innen der Unterkunft sicherstellt. Im Rahmen der Gesundheitsversorgung ist es unabdingbar, auch psychologische Betreuung und Unterstützung anzubieten. Viele Geflüchtete haben traumatische Erfahrungen hinter sich und benötigen spezielle Unterstützung, um sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden und psychisch zu stabilisieren.

Als Bündnisgrüne ist darüber hinaus unser Ziel, die bestehende Gesundheitsinfrastruktur im ganzen Bezirk auszubauen, sodass deren Kapazität ausreicht, um eine schnelle, zuverlässige und gute Versorgung aller Bewohner*innen Tempelhof-Schönebergs, inklusive geflüchteter Menschen, von der Vorsorge über die Therapie bis hin zur Nachsorge zu gewährleisten.

Wir sehen außerdem einen großen Bedarf für weitergehende Präventionsmaßnahmen, wie Sport- und Bewegungsangebote in der Geflüchtetenarbeit, vor allem auch für Kinder. Wir wollen solche Angebote unterstützen und schaffen, denn sie sorgen für Ausgleich und können unterstützen, dass geflüchtete Kinder gesund aufwachsen und alle die Chance haben, an unserem gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Durch Sport und körperliche Aktivität lässt sich nicht nur die individuelle körperliche Fitness verbessern, sondern auch das Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauferkrankungen verringern sowie die psychische Gesundheit fördern.

Die Grundversorgung mit Unterkunft und Gesundheitsangeboten ist ein wichtiger Startpunkt. Darüber hinaus wollen wir Partizipation und Integration von geflüchteten Menschen stärken und entsprechende Möglichkeiten weiter ausbauen. Wir sind davon überzeugt, dass faire Beteiligung, sozialer Zusammenhalt, eine funktionierende Gesundheitsversorgung und die gegenseitige Rücksichtnahme für dieses Ziel essenziell sind.

Bildung

Eine wichtige Institution für die Teilhabe und Integration von geflüchteten Menschen ist die Schule. Deshalb setzen wir uns unter anderem dafür ein, dass (Intergrations-)Willkommensklassen Teil des aktiven Schullebens sind. Die schnelleIntegration der Schüler*innen in die Regelklassen sollte schnell klappen, ohne dabei auf individuelle Unterstützungsangebote zu verzichten. Unter Berücksichtigung der Sprachkenntnisse kann schon schnell die Teilnahme an musischen und künstlerischen Unterrichtsfächern ermöglicht werden und dann Schritt für Schritt auch an sprachlich komplexeren Unterrichtseinheiten. Weitere gute Beispiele für die soziale Integration und zur Stärkung des Miteinanders sind Konzepte wie Buddy-Systeme oder Lesepatenschaften, bei denen Schüler*innen ihre geflüchteten Mitschüler*innen beim Erlernen des Stoffes unterstützen. Dafür müssen in den bestehenden Schulen zügig entsprechende Kapazitäten geschaffen werden, beispielsweise durch so genannte Fliegende Klassenzimmer und weitere Baumaßnahmen.

Die am Tempelhofer Feld geplante Containerschule, die im nächsten Schuljahr realisiert werden soll, lehnen wir prinzipiell ab, weil sie Kinder voneinander trennt statt zu integrieren. Wir sehen allerdings die derzeitige Notwendigkeit, so wie auchSchöneberg hilft e. V., zusätzliche Schulplätze zu schaffen, da die CDU-geführte Senatsbildungsverwaltung imZusammenspiel mit den ebenfalls CDU-geführten Abteilungen im Bezirk (Facility Managament und Schule) es versäumt haben, frühzeitig entsprechende Planungen zu treffen und zu finanzieren, um alle schulpflichtigen Kinder unterzubringen. Dennoch darf diese Schule nur eine Übergangslösung von kurzer Dauer sein. Wir werden das sehr genau und engmaschig beobachten.

Für die (Sprach-)Bildung ist darüber hinaus eine angemessene Finanzierung außerschulischer Bildungsangebote essenziell. Aktuell stehen viele Sprach- und Integrationskurse vor den Herausforderungen des sogenannten Herrenberg-Urteils, durch das Scheinselbsständigkeiten unterbunden werden sollen. Grundsätzlich begrüßen wir ausdrücklich, dass durch das Urteil Arbeitgeber*innen in die Verantwortung genommen werden und die Sozialversicherungspflicht nicht einfach umgangen werden kann. Allerdings sehen wir jetzt für die Berliner Landesregierung einen klaren Handlungsauftrag: Sie muss Rechtssicherheit für die Vertragsgestaltung von außerschulischen Bildungseinrichtungen schaffen, auch in Bezug auf die Möglichkeit freier Mitarbeit. Außerdem muss die neue Situation bei der Haushaltsaufstellung beachtet werden – sonst werden viele integrative Bildungsangebote in naher Zukunft nicht mehr existieren.

Arbeit

Eine gute Arbeitsstelle, Austausch mit Kolleg*innen und einen eigenen Beitrag leisten – das sind wichtige Bestandteile einer gelungenen Integration und Teilhabe. Dafür ist vor allem auch die (Nach-)Qualifizierung von geflüchteten Menschen ein wichtiger Baustein. Als Kreisverband begrüßen wir dabei ausdrücklich die Anstrengungen, die die lokale Wirtschaft in Tempelhof-Schöneberg in diesem Themenbereich unternimmt. Gerade die lokalen Unternehmensnetzwerke leisten hier viel. Beispielhaft ist hier die Partnerschaft des Bezirksamtes mit UBS e. V., die vielen jungen Menschen eine Berufsausbildung im Gastgewerbe ermöglicht und somit konkrete Perspektiven in einem großen Arbeitsmarkt bieten. Als Bündnispartei sind wir davon überzeugt, dass eben solche Kooperationen zwischen Staat, freier Wirtschaft und Zivilgesellschaft essenziell sind. In unserer kommunalpolitischen Arbeit wollen wir solche Kooperationen weiter ausbauen und das Thema (Nach-)Qualifizierung in Kooperation mit dem Jobcenter weiter stärken.

Das Ankommen im Berufsleben und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehen Hand in Hand. Wir unterstützen deshalb auch zukünftig Projekte, Vereine und Initiativen, die Menschen verbinden, den Austausch fördern und so essenziell zur Partizipation von geflüchteten Menschen beitragen. Beispielhaft ist hier der Gemeinschaftsgarten für Geflüchtete von Schöneberg hilft e. V. zu nennen. Wobei wir gerade auch Großprojekte, die viele Akteure miteinander vernetzen, weiter ausbauen wollen. Ein echtes Leuchtturmprojekt in diesem Bereich ist das Interkulturelle Haus inSchöneberg. Konkret setzen wir uns dafür ein, dass das Engagement in diesem Bereich auch finanziell gefördert wird. Als Politik können wir nicht verlangen, dass die wichtige Arbeit im Bereich gesellschaftlicher Partizipation und Integration nur auf ehrenamtlichen Engagement basiert.

Dementsprechend gilt für uns in jedem Bereich: Wer Teilhabe und Integration ermöglichen will, muss Geld in die Handnehmen. Das wird uns als Gesellschaft auch langfristig helfen, dass Geflüchtete hier ankommen, sicher leben und aktiver Teil der Gesellschaft werden können. Als Bezirk sind wir darauf angewiesen, dass der Senat nicht bei Integrationsmitteln kürzt. Die von schwarz-rot ursprünglich geplanten Kürzungen in diesem Bereich waren für uns ein klares Warnsignal. Wir werden uns laut und deutlich mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, für die Finanzierung von sinnvollen, dringend benötigten Maßnahmen einsetzen.