Vor Verdrängung schützen, Neubau schaffen – Interview mit Jörn Oltmann 9. Februar 202017. April 2020 Lieber Jörn Oltmann, was raten Sie einer Rentnerin, die seit 30 Jahren in einem Haus wohnt, das nun von einem Investor gekauft werden soll? Zunächst sollte sie sich mit anderen Mieterinnen und Mietern zusammentun und im Stadtplanungsamt anfragen, ob das Haus bereits vor dem Erlass eines Milieuschutzgebietes aufgeteilt wurde. Dies ist entscheidend dafür, wie lange sie vor einer Eigenbedarfskündigung geschützt ist. Für weitere Details kann sie unsere kostenlose Mieterberatung im Bezirk aufsuchen, die wir an vier verschiedenen Standorten anbieten. Stadtrat Jörn Oltmann im Gespräch mit Mieter*innen. – Foto © BvB Warum ist das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten so wichtig? Ein Drittel aller Bürgern und Bürgerinnen von Tempelhof-Schöneberg lebt in einem sozialen Erhaltungsbiet (Milieuschutzgebiet). Wird hier ein Mehrfamilienhaus verkauft, hat der Bezirk ein Vorkaufsrecht, damit Menschen nicht aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Wir versuchen allerdings zunächst, mit dem Käufer eine Abwendungsvereinbarung abzuschließen, die unter anderem eine Umwandlung in Eigentumswohnungen langfristig ausschließt. Kannst du damit jede Wohnung retten? Nein, beim Vorkaufsrecht bin ich darauf angewiesen, dass eine städtische Wohnungsbaugesellschaft das Haus finanzieren und später bewirtschaften kann. Alternativ muss ich auch andere gemeinwohlorientierte Vermieter ansprechen können. Kritische Stimmen sagen, das Vorkaufsrecht schaffe keinen Wohnraum und sei zu teuer. Beim Vorkaufsrecht geht es um Sicherung von Wohnraum. Eine generelle Entspannung am Wohnungsmarkt erreichen wir dagegen nur durch Neubau. Hier haben wir in Tempelhof-Schöneberg gute Zahlen vorzuweisen. Bei den Wohnungsbaugenehmigungen liegen wir an dritter Stelle aller Berliner Bezirke. Was war dein schönstes Erlebnis im Kontakt mit Anwohner*innen? Am meisten beeindrucken mich die Menschen, die schon sehr lange in ihrem Haus wohnen. Ihre Wohnung und Nachbarschaft machen einen großen Teil ihres Lebens aus – sie werden mit den Jahren zur persönlichen Identität. Wenn ich etwas für sie erreichen kann, ist das für mich ein besonders emotionaler Moment. Jörn Oltmann ist stellvertretender Bezirksbürgermeister und Stadtrat in Tempelhof-Schöneberg. Das Gespräch führte Nina Freund, Vorstandsmitglied B‘90/GRÜNE Kreisverband Tempelhof-Schöneberg Dieser Beitrag ist Teil des Stichels Nr. 236 zum Thema Wohnpolitik. Alle weiteren Artikel findet ihr auf der Seite Stichel Nr. 236 „Wohnpolitik“. Protest in der Hohenfriedbergstraße – Foto © BvB
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