„Wir versuchen immer, alles möglich zu machen“

Die AG Mieten & Wohnen und die AG Frauen, Gender, Queer waren zu Besuch bei Frauenzimmer e.V. in Schöneberg. Das Projekt bietet Frauen und Kindern, die häusliche Gewalt erleben, Zuflucht und hilft ihnen, sich ein neues Leben aufzubauen.

Insgesamt leben zurzeit etwa 50 Frauen und Kinder in sieben Wohngemeinschaften, die über verschiedene Berliner Bezirke verteilt sind. Seit Anfang des Jahres steht das Angebot auch Transfrauen offen; das Alter für Jungen, die mit ihren Müttern in eine der Wohnungen ziehen können, wurde von 14 auf 18 Jahre erhöht. Um ein eigenes Zuhause für die Frauen zu finden, kooperiert Frauenzimmer mit ASAP e.V. Auch danach steht der Verein noch eine Weile bei Fragen und Problemen zur Verfügung oder vermittelt andere Ansprechpartner*innen.

„Die meisten unserer Geschichten gehen gut aus“, berichten die Mitarbeiterinnen, „wir haben eine sehr geringe Rückkehrerinnenquote.“ Was Frauen während der gemeinsamen Zeit in Wohngemeinschaften, bei der Stabilisierung und dem Aufbau einer neuen Existenz erleben, sei empowernd. „Viele Frauen beschließen: So was passiert mir nicht nochmal.“

Not nimmt zu

Wie alle Projekte dieser Art erlebt auch Frauenzimmer e.V. einen Anstieg der Zahl Hilfesuchender: Bis jetzt gab es 2024 bereits 50 Anfragen mehr als Ende Juli letzten Jahres; 2023 hatte Frauenzimmer e.V. mit 397 Anfragen die höchste Zahl in seinem knapp 40-jährigen Bestehen. Gründe hierfür sind unter anderem der Anstieg digitaler Gewalt und eine fortwährende Verrohung.

Die Kinder trifft es doppelt: Sie verlieren ihr Zuhause und sind im neuen vielen Regeln unterworfen, die der Sicherheit der Familien und der Organisation dienen. So ist Besuch von Freund*innen nicht erlaubt, sie dürfen keine Haustiere mitbringen und haben keine eigenen Zimmer. Frauenzimmer versucht, beispielsweise bei der Organisation von Geburtstagsfeiern außerhalb der Wohnung zu helfen und unterstützt die Kinder bei der Umgewöhnung. „Kinder werden mitgeflüchtet. Da würde man oft gern noch mehr geben.“

Bei allem Leid, das das Team des Frauenzimmer e.V. täglich sieht: Die Mitarbeiterinnen setzen auf Pragmatismus und Zuversicht. „Wir arbeiten daran, Leben wieder zusammen zu setzen. Wir sind mit Zukunft beschäftigt. Und wir merken, dass unsere Arbeit wirksam ist.“

Bei unserem Besuch wollten wir vor allem wissen: Was braucht Frauenzimmer von der Politik vor Ort? Was wünschen sich die Mitarbeiterinnen?

Eine bessere Wohnungsmarktpolitik

Die Zeit, die Frauen brauchen, um ein neues Zuhause zu finden, steigt seit Jahren an. Explodierende Mietpreise erschweren die Wohnungssuche: Allein ist kaum eine Frau erfolgreich, und Chancen bestehen fast nur auf dem sozialen Wohnungsmarkt. Mehr bezahlbarer Wohnraum wird nicht nur hier dringend benötigt.

Bessere personelle Ausstattung in Sozialämtern

Schlechte Erreichbarkeit und lange Wartezeiten, bis Anträge bewilligt werden, führen dazu, dass Transferleistungen ausbleiben: Für die Frauen geht es dabei um die Existenz, im schlimmsten Fall droht Obdachlosigkeit. Projekte wie Frauenzimmer e.V. müssen ausbleibende Zahlungen über Spenden abfedern.

Sicherheit in der Finanzierung
Vom Senat erhält Frauenzimmer e.V. Zuschüsse für Personal- und Bürokosten, die Wohnungen finanzieren sich über die Miete. Auch durch den Einsatz von Bündnis 90/Die Grünen arbeitet bei Frauenzimmer e.V. inzwischen eine Verwaltungsfachkraft – eine riesige Erleichterung für das Projekt, bei dem zuvor sämtliche administrativen und buchhalterischen Aufgaben von den Mitarbeiterinnen aus anderen Bereichen übernommen werden mussten. Doch Projekte wie Frauenzimmer e.V. hangeln sich meist nur von Jahr zu Jahr. Es ist nicht möglich, mehr Plätze anzubieten, denn das erfordert den Kampf um mehr Mittel, mehr Verwaltung, also mehr Mitarbeitende. Um das umzusetzen fehlt Geld.

Politische Entscheidungen, die Opfer schützen

Manche Frauen sind völlig isoliert, bevor sie entkommen können, sie werden manipuliert, kontrolliert, gedemütigt. Unter anderem in Großbritannien ist diese „coercive control“ strafbar. Dass Gewalt gegen Frauen derart ernst genommen wird, wünscht sich Frauenzimmer e.V. auch für Deutschland. Selbst der Datenschutz wird häufig zugunsten von Tätern in Stellung gebracht, wenn beispielsweise verschiedene Stellen sich nicht austauschen dürfen, um Risiken aufzudecken und weitere Gewalt zu verhindern.

Prävention

Mehr Prävention und Sensibilisierung könnten Gewalt entgegenwirken. Frauenzimmer e.V. setzt sich ein für gewaltfreie Kommunikation und Erziehung, das Aufbrechen tradierter Rollenbilder: „Wir wollen uns überflüssig machen.“

Öffentlichkeit und Zivilcourage

Gewalt gegen Frauen braucht mehr mediale, gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit. Auch die Solidarität mit den Opfern ist nötig: Es kommt auf jede*n Einzelne*n an. Viele Frauen berichten, dass eine der schlimmsten Erfahrungen für sie war, dass niemand aus der Nachbarschaft etwas gesagt oder Hilfe angeboten hat. „Man sieht nicht, was man verhindert hat, aber es ist trotzdem da.“ 

So kannst Du helfen:

  • Hinsehen
  • Fragen
  • Zuhören
  • Im Notfall die Polizei rufen
  • Spenden für entsprechende Projekte wie Frauenzimmer e.V.

 [MH1]Kein gezielter Spendenaufruf mit Kontonummer