Die Hälfte der Macht den Frauen! 25. Juli 202013. August 2020 Kiezbüro: Kannst du uns kurz deine Geschichte mit der GRÜNEN Partei in Berlin erzählen? MZR: Wo soll ich da anfangen? Ich habe einen Ort gesucht, an dem ich was politisch bewegen kann und wo mein Engagement relevant ist. Ich habe in verschiedenste Richtungen geschaut und war z.B. aktiv von der Hausbesetzer*innenszene hin zur IG Metall als Jugendvertreterin und bei Amnesty International. Dort habe ich aber nicht richtig das gefunden, was ich wollte, mich nicht zu Hause gefühlt. Zu den GRÜNEN kam ich schließlich 1990: In der Mainzer Straße wollte Walter Momper bzw. die SPD in der Regierung die besetzten Häuser räumen lassen (https://www.tagesspiegel.de/berlin/november-1990-in-berlin-haeuserkampf-in-der-mainzer-strasse/12580872.html). Die Koalition aus SPD und Alternativer Liste (Vorgängerpartei der GRÜNEN) drohte, daran zu zerbrechen. Es war meine feste Überzeugung, dass die Koalition nicht auseinander gehen dürfe, da durch die GRÜNE Beteiligung schon viel erreicht wurde. So habe ich mich am 13. Juni 1990 zur GRÜNEN Zentrale in die Badensche Straße 29 aufgemacht und dort gefragt, ob ich am Samstag darauf bei der Mitgliedervollversammlung mit abstimmen dürfe, wenn die GRÜNE Basis entscheidet, die Koalition zu verlassen oder nicht. Ich durfte. In der Bezirkspolitik konnte ich mich gemeinsam mit den Menschen emanzipieren! Kiezbüro: Wie ging es dann für dich dort weiter? MZR: Nach meinem Beitritt im Sommer wurde ich im Herbst Schatzmeisterin der Bezirksgruppe Tiergarten. Und mir wurde schnell deutlich: Bei den GRÜNEN gibt es keine sexistischen Sprüche oder plumpe Anmache! Oder wenn, dann hat man sich entschuldigt und weiter ging es in der Sachdebatte. So hatte ich das vorher noch nicht erlebt. Als Frau war es nicht schwer, in Ämter zu kommen. Es gab viele Frauen, aber die hatten dann bereits auch mehrere Ämter inne, so dass ich mich meist nur zu melden und kurz mit meinen Vorstellungen zu bewerben brauchte und schon war ich dabei. Mit Christian Ströbele ging es 1992 (die Koalition zerbrach dann doch) in den Wahlkampf. Es war so toll, gleich mit den Promis, den politischen Vorbildern, zusammen aktiv zu sein. So kam es, dass sich mein Leben mit und für die GRÜNEN entwickelte, die Partei quasi als Familienmitglied. Kiezbüro: Und du hattest ja sogar zwei Kinder damals. Wie ließ sich das mit deinen vielen Ämtern vereinbaren? MZR: 1992 habe ich für die BVV Liste kandidiert und wurde direkt auf Platz fünf gewählt. Da war mein erster Sohn schon fast ein Jahr alt, 94 folgte der zweite Sohn. Und trotzdem war ich BVV, LDK und BDK Verordnete gleichzeitig. Das ging nur bei den Grünen. Bei den größeren Konferenzen gab es Kinderbetreuung, und Kinder waren einfach willkommen! Aber bei der BVV gab es keine Möglichkeiten dazu. Als Studentin gab es auch nicht viel Geld für Babysitter, so mussten die Kinder reihum von uns Eltern betreut werden. Die Belastung war dann enorm: Zwei Kleinkinder, Uni, drei Mandate mit Ausschüssen, die fremden Kinder, und dazu der Haushalt, den ich führen musste. Mein damaliger Mann hatte auch Uni, und deswegen keine Zeit zur Kinderbetreuung. Ich auch, aber es war damals gar keine Diskussion darum, wer tatsächlich die Kinder mitschleppt zur Vorlesung oder die Wäsche wäscht. Heute ist das zum Glück anders. Bei den GRÜNEN konnte ich aber eben immer meine Kinder mitbringen und trotzdem meine Sachen machen. Auch das hat mir von Anfang an gezeigt, dass ich hier richtig bin. Andere Mütter waren mitunter neidisch, dass das bei mir alles zusammen ging. Genau diese Dreifachrolle wurde bei den GRÜNEN einfach nie in Frage gestellt, sondern unterstützt. Kiezbüro: Was muss sich für dich ändern, damit mehr Frauen in der Kiezpolitik mitmachen können? MZR: Ganz klar: Lasst die Sitzungen zu kinder- und elternfreundlichen Zeiten beginnen. Und auch Berufstätigkeit muss berücksichtigt sein. Dazu bedarf es individueller Abstimmungen und kein: „Das war doch schon immer so“. Eine zeitliche Beschränkung würde allen helfen, man muss nicht drei Stunden alles wiederkäuen, was die*der Vorredner*in schon gesagt hat. Und haltet es aus, wenn ein Kind dazwischen quakt oder gar gestillt wird. Kiezbüro: Hast du jemals überlegt hauptamtlich Politikerin zu werden oder in größeren Kontexten politisch zu arbeiten? MZR: Klar! Und als Fraktionsgeschäftsführerin bin ich es sogar. Es gibt immer wieder Möglichkeiten und Angebote, in anderen politischen Kontexten aktiv zu werden oder mich für ein Mandat im Abgeordnetenhaus zu bewerben. Allerdings macht mir die Bezirkspolitik nicht nur richtig Spaß, sondern ich erachte sie auch als unverzichtbar für unser demokratisches Fundament in der Gesellschaft. Als Bezirksverordnete machst du mit den Menschen Politik, nicht für sie. Es ist unsere Aufgabe, für die Leute vor Ort da zu sein, sich ihrer Situation anzunehmen und mit ihnen gemeinsam ein besseres Zusammenleben zu gestalten. Kiezbüro: Was denkst du zu der jetzt in der CDU diskutierten Frauenquote auch auf kommunaler Ebene? MZR: Es ist für mich ganz klar: Ohne die vorgelebte Emanzipation der anderen Frauen und ohne GRÜN-ideologischen Input hätte ich weder Zeit noch Muße gehabt, die ich für all meine Projekte brauchte. Ich kann der CDU nur raten, endlich die Quote einzuführen. Aber wenn ich dann das Argument höre: „Die Leute sollen doch nach Qualifikation ausgewählt werden und lieber ein guter Mann als eine schlechte Frau!“, antworte ich meistens damit, dass man Frauen eben aktiv unterstützen muss. Das passiert nun nicht vorbehaltlos ohne Quote. Denn warum muss ich im Beruf und als Politikerin besser als ein Mann sein, wenn ich mich parallel noch um die Kinder und den Haushalt kümmern muss, ja und vielleicht auch will? So kann ich auch nur allen jungen Frauen meine Geschichte erzählen und sie ermutigen, sich zu engagieren. Der Feminismus und der Kampf für Frauenrechte sind nicht vorbei. Gerade jetzt in der Coronakrise sieht man das ganz deutlich, wie schnell sich Rollenverständnisse ändern können und wie wichtig das GRÜNE Engagement für den Feminismus ist. Heute geht es auch vielmehr um die Emanzipation aller Geschlechter. Dafür gilt es zu kämpfen! Kiezbüro: Vielen Dank für das Gespräch!
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